Wir Kunsterkenner

 Wie schlägt der Kunstmarkt Kapriolen,

wenn Kenner uns ganz unverhohlen

ihre Produkte vorgestellt

und wir nichts sehn für unser Geld.

 

Im Boden steckt da eine Stange,

und der Experte redet lange,

dass die Skulptur strebt himmelwärts.

Du glaubst an einen schlechten Scherz

und zweifelst fast an dem Verstand,

weil du das Kunstwerk nicht erkannt.

 

Der Laie sieht den schwarzen Punkt,

ganz einfach nur auf weißem Grund,

lauscht den Erläuterungen scharf

und spürt dabei kaum Kunstbedarf.

 

Gewiss muss lernen jedermann,

wie er Arten betrachten kann

und wird trotzdem nicht sicher sein,

ob nicht ein Schlitzohr legt ihn rein,

wie einst im Fernsehn es geschehn,

in einem Video war’s zu sehn.

 

Pinsel und Farb’ gab man dem Affen,

der ließ sein Kleckstalent begaffen,

er schmierte kurz drauflos ganz wild,

und siehe da – es ward ein Bild,

zwar wüst gepanscht und bunt sehr kräftig,

jedoch das Tierchen freut’ sich mächtig.

 

Hübsch eingerahmt kam’s Bildnis dann

zur Vernissage – nach nebenan.

Ein hoher Preis und hübscher Titel

war Interviewern dann das Mittel,

zu fragen vor der Kamera,

wie man das Kunstwerk fände da.

 

Die Antwort, sie war immer gleich:

Toll, energie- und farbenreich,

dynamisch und auch interessant,

der Künstler jedoch – nicht bekannt.

 

Jutta Kieber